Nach einigen Aufnahmen in einem ähnlichen Bereich, z.B. die Streichquartette von Franz Xaver Richter auf der CD «Genesis 1757», mit dem Casal-Quartett, kommt jetzt diese erste CD des von der Geigerin Amandine Beyer gegründeten Streichquartetts mit historischen Instrumenten («Kitgut», d.h. mit Darmsaiten). Es will der Geschichte des Streichquartetts nachgehen. Also jener klassisch klaren kammermusikalischen Form, die aus zwei Violinen, einer Bratsche und einem Cello besteht.
Aber wer erschuf diese Konstellation, in der viele Komponisten, von Mozart bis Ligeti, Erfolg hatten? Natürlich hat Joseph Haydn das Genre mit seinen 68 Quartetten entwickelt. Parallel hat Boccherini sechs Quartette komponiert, und auch Sammartini und Vivaldi hatten Musik für vier Streicher im Repertoire.
Was war ihre gemeinsame Inspirationsquelle, wenn es eine gab? Hier hören wir Kompositionen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus England, die man nicht unbedingt mit dem Streichquartett assoziiert. Aber die Kammermusik für Streicher hat dort eine lange Tradition, vor allem mit dem Gambenconsort. Purcell und Locke schrieben berühmte Zwischenaktmusiken in reduzierter Besetzung. Manche dieser «Curtain Tunes» sind ganz schön anspruchsvolle Tanzrhythmen, englisch exzentrisch, voller kühner Harmonien und komplex polyphoner Strukturen. Da scheint jede Stimme zu machen was sie will. Nach Henry Purcells polyphoner Fantasia 8 folgt ein wunderbar tanzender «ground» aus «The history of Timon of Athens» (Track 2). Auch die kurzen Werke von Matthew Locke (Tracks 3 ff.) berühren mich.
Haydns Streichquartett op. 71 Nr. 2, über hundert Jahre später entstanden, ein spezielles Stück, illustriert all die Freiheiten, Asymmetrien, Kontraste, Tanzmotive, das theatralische Element, was im Innersten auf die englische Theaterpraxis zu verweisen scheint, obwohl die Harmonie ganz anders ist als diejenige der frühbarocken Werke.
Das Kitgut Quartet will die Probenatmosphäre aus Dialog, Freude und Spontanität aufleben lassen. Das merkt der Hörer in jeder Sekunde. Der Klang ist warm, die Stimmen transparent, die Individualität ihrer hervorragenden Mitglieder wird stets hervorgehoben. Das bekannte «Fairest Isle» von Purcell z.B. wird unkompliziert und mit Feingefühl interpretiert. Wunderschön! Am Schluss möchte man noch mehr.
Allard Eekman
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